Die Freitagstreffen der Schwulen Väter in Frankfurt besuche ich seit etwa 2001.
Aus meinem kleinen Wohnort 40 Kilometer außerhalb von Frankfurt fahre ich hierzu in die Stadt. Vom Kontakt mit der Gruppe habe ich mir versprochen zu erfahren, wie andere schwule Väter mit ihrer Lage umgehen, habe mich dort offen austauschen wollen und hatte mir auch gewünscht, einige Freundschaften zu schließen.
Alle diese Erwartungen haben sich größtenteils erfüllt. Einige der schwulen Väter leben genau wie ich weiterhin in ihren Familien. Ein Großteil aus der Runde allerdings ist geschieden oder lebt von Frau und Familie getrennt. Einen „Königsweg“ also gibt es auch hier nicht. Jeder muss für sich die beste Lösung finden.
Mir war all die Jahre wichtig gewesen, die Familie aufrecht zu erhalten. Mittlerweile sind meine drei Söhne zwar erwachsen – einzig der jüngste lebt noch zu Hause – von daher hätte eine Trennung/Scheidung jetzt keine allzu gravierenden Folgen mehr. Doch in meinem Fall besteht hierzu kein wirklicher Anlass.
Ich habe inzwischen genügend Freiraum und fühle mich in der Hausgemeinschaft mit meiner Frau durchaus wohl.
Seit 1984 weiß sie von meiner Homosexualität. Damals, nachdem ich mir endlich eingestand, dass ich Männer gern habe, schenkte ich ihr reinen Wein ein. Auch für sie wäre eine Scheidung die schlechteste aller Möglichkeiten gewesen. Im Laufe der Jahre haben wir einen gangbaren Weg entwickelt – ein „wohlwollendes Nebeneinander“. Als ich meine Söhne vor wenigen Jahren über mich aufklärte – mit jedem von ihnen sprach ich einzeln – war meine größte Sorge, dass sie mich ablehnen könnten.
Aus dieser Furcht heraus zögerte ich ein offenes Gespräch immer wieder hinaus. Mit großer Freude kann ich jedoch sagen, dass mich keiner von ihnen zurückgewiesen hat. Gewiss reagierten die Söhne auf meine Offenbarung zunächst irritiert. Sie gaben mir jedoch Gelegenheit, meinen Werdegang in Ruhe darzulegen. Ich konnte ihnen aufzuzeigen, wie es möglich war, dass ein schwuler Mann heiratet und Kinder zeugt. Dass es in unserem Fall trotz allem gut so gewesen ist, weil die Söhne ansonsten nicht auf dieser Welt wären, darüber sind wir uns alle einig.
Für mich hat sich vor einigen Jahren der Glücksfall ergeben, einen lieben Freund zu finden, mit dem ich mich sehr gut verstehe. Er ist von meiner Familie akzeptiert, selbst wenn alle wissen, dass er und ich eine schwule Freundschaft pflegen. Mein Freund kommt mich an manchen Wochenenden zu Hause besuchen oder ich fahre zu ihm. Gelegentlich treffen wir uns auch unter der Woche, vor allem aber verreisen wir gerne gemeinsam.
Die Tatsache, dass ich verheiratet bin und Kinder habe, ist für ihn kein Problem. Wir beide streben keine enge Lebensgemeinschaft miteinander an. Mit meinem Schicksal als schwulem Vater hadere ich schon lange nicht mehr.
Ich habe mich mit meinem Anderssein versöhnt. Und wenn ich es recht bedenke, erlebe ich jetzt mit 56 Jahren die schönste Zeit meines Lebens.
(Aufgeschrieben im Nov. 2005)